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Freitag, 27. Juni 2014

Fès - Day One!

Ich war noch nie irgendwo in Afrika... Laut tönt Johannes Oerding durch unsere Wohnung. Meine Mitbewohner fangen an die Augen zu verdrehen, vor kurzem live gesehen, gibt es für mich nur noch dieses eine Lied. Einfach nur weg.


Kaffee über den Dächern von Fès
Ich war noch nie irgendwo in Afrika. Das ändert sich nun. Mit Ryan Air fliege ich von Weeze nach Fès, ein wenig holprig, ein bisschen eng, aber sonst vollkommen in Ordnung. Am Flughafen holt mich der Kumpel eines Kumpels ab. Ihr kennt das ja. Wir fahren zusammen in die Stadt, die Verhältnisse im Verkehr sind katastrophal. Wie nicht anders erwartet. Immer wieder nicke ich anerkennend, wenn der Kumpel des Kumpels meines Kumpels (waaaaaas????) durch eine Lücke gefahren ist, durch die eigentlich kein Auto durchpasst. Kurz fühle ich mich wie im Fahrenden Ritter, der sich seiner Umgebung anpasst.

Die traditionellen Lederschuhe
Am Tor vor der Altstadt angekommen gehen wir erstmal in ein Ryad und ich fühle michals wäre ich in Marokko. Der Hammer! Es sieht tatsächlich alles so aus, wie man es sich vorstellt. Das typische Bier und Weißwurst Vorurteil für Marokko sind bunte Verzierungen, viele Kissen und kleine Sofas und so sieht es hier tatsächlich aus. Von der Dachterrasse aus hat man einen perfekten Blick auf die Altstadt.

Wir trinken einen Kaffee und ich lerne noch eine Freundin kennen. Wir verständigen uns auf Französisch, sie unter sich sprechen Arabisch (elbisch, klingonisch? Ich verstehe nichts...).
Entstehung eines Goldarmbands


Raschid dreht sich zu mir um: Hast du Lust auf ein Abenteuer? 
Aber klar doch.

Ups... wie war das noch? Wenn ein fremder Mann dich so etwas fragt, dann sagt man NEIN. Doch in Marokko läuft das anders. Schnell merke ich, dass die typischen deutschen Verhaltensregeln hier keinen Sinn finden. Außerdem bin ich groß und stark (hust) und solange mir nicht das Gegenteil bewiesen wird, gehe ich davon aus, dass ich putzmunter aus solchen Situationen rauskommen kann. Angst haben überlasse ich den Daheimgebliebenen :D.

Alles Handarbeit
Wir gehen in die Medina und ich werde umgehauen. Im Internet habe ich gelesen, dass es eng ist, aber dass es SOO eng ist, hätte ich nicht gedacht. Hier passen keine zwei Leute nebeneinander. Erstmal gehen wir ein typisch marokkanisches Sandwich essen, in einem Laden, wo ich vorschtig ausgedrückt NIEMALS reingegangen wäre. Aber es soll sauber sein. Würde ich nicht unbedingt unterschreiben. Lecker war es auf jeden Fall.
  




Bald habe ich Urlaub, erzähle ich jedem.
Achja, wo soll es denn hingehen?
Nach Marokko, eine kleine Rundreise.
Mit wem?
Allein.
Hier endet meist das Gespräch. Meine Eltern sind sprachlos, Oma und Opa schütteln verzweifelt den Kopf. Freundinnen sehen mich entsetzt an. Marokko alleine? Das würde ich mich nie trauen.

Habe ich denn keine Angst? Ein bisschen. Gebe ich das zu? NIEMALS! Ich denke nicht darüber nach, dass ich weggeschnappt werden könnte, das kann wohl auch in Hannover passieren. Aber wie werde ich mit den Leuten klarkommen? Werden sie mich in Ruhe lassen? Wie sind die Freunde meines Kumpels? Werde ich genug Gesprächsstoff finden? Wie sieht es in Rabat und Marrakech aus? Werde ich mich alleine fühlen?


Überall riecht es verschieden. Mal nach duftenden Parfums...
Wieder in Deutschland kann ich sagen, dass alle Sorgen umsonst waren. Die Marokkaner sind, neben den Kanadiern, die nettesten Menschen, die ich bisher kennenlernen durfte. Wenn ich Hilfe brauchte, haben sie immer geholfen, und wenn ich keine Hilfe brauchte, wollten sie trotzdem helfen (nicht unbedingt positiv, habe mich dank ihnen oft verlaufen). So interessiert wie ich an ihnen war, so haben sie mich gemustert. Immer ein Lächeln auf den Lippen. Fazit: Ich will wieder hin. Vorurteile sind DOOF!!!

... mal nach leckeren Gewürzen...
Fès haut einen um. Es gibt so viel zu sehen, dass man das gar nicht beschreiben kann. Alles ist bunt, es ist so laut. Ich bin unendlich dankbar, dass ich einen Begleiter habe. Allein hätte ich nicht einmal die Hälfte gesehen. Raschid führt mich durch die Gassen und wir können sogar in die Werkstätten reinschauen. Dort erklären mir die Arbeiter, was sie machen. Ich sehe, wie Leder bearbeitet wird, wie sie Goldarmbänder herstellen und die hangearbeiteten Verzierungen der typisch arabischen Türen. Ich bemerke Gerüche, die mich umhauen, es stinkt unglaublich und in der nächsten Sekunde rieche ich die leckeren Süßigkeiten und Sandwiches. Das Fleisch hängt an Haken vor der Tür, abgetrennte Schafsköpfe gucken mich an. Wir laufen zwei Stunden durch die Medina und ich wechsle munter zwischen Panikattacken und Neugier.

... und manchmal einfach nach alt und kaputt.
Dann kommt der absolute Hammer. Raschid und seine Freundin führen mich in ein Viertel, was mich ein bisschen an die Favelas in Rio de Janeiro erinnert. Schrottberge türmen sich am Wegrand, kleine Werkstätten finden sich in Wellblechhütten. Der Gestank treibt mir Tränen in die Augen. Ein Marokkaner, der kaum noch Zähne hat, drückt mir einen Büschel Minze in die Hand, die ich mir vor die Nase halten soll. Wir sind da, wo das Leder gegerbt wird. Genau hier wollte ich hin. Warum eigentlich? Das weiß niemand.


Von oben sieht man die "Brunnen" mit der undefinierbaren Gerberflüssigkeit. Der Arbeiter erklärt uns genau was da so passiert, beim Häuten eines Tiers. Ich muss mich wegdrehen und versuche konzentriert auf die Skyline von Fès el Bali zu achten. Das ist absolut kein Ort für mich. Ich sehne mich nach einer Dusche. Der Kulturschock ist perfekt.

Minze für den guten Geruch

Tierhäute die zum Trocknen aushängen.
  

Raschid und ich bei den Gerbern


Das fertige Leder wird dann z.B. für Trommeln benutzt
Wir laufen noch ein bisschen durch diesen "Slum" und gucken in die Werkstätten. Die Männer sind alle sehr nett und erzählen viel von ihrer Arbeit. Sie sind sehr stolz auf das was sie herstellen. Und das können sie auch. Auf meine Frage, wie lange sie hier am Tag arbeiten antworten sie: Solange wie die Sonne scheint. Und manchmal länger. Je nachdem, wie viele Tierhäute verarbeitet werden müssen.

Die typischen Torbögen
Da ich an diesem Tag noch nicht genug geschockt wurde kommt noch ein ganz positiver dazu.
Raschid gibt mir ein kleines dreieckiges Blätterteigteilchen als Nachtisch. Und das hat es in sich. Als wäre es nicht genug, dass es komplett in Honig getaucht wurde, ist es auch noch mit einer Marzipancrème gefüllt. Ich beiße rein und bekomme ein absoluten Zuckerschock. An meinen letzten Alkoholrausch erinnert (den ich natürlich noch nie hatte, Mama, glaub mir!), laufe ich durch die engen Gassen und versuche die Reizüberflutung zu überstehen. Die bunten Taschen und Schuhe vervielfachen sich, die Gerüche scheinen mich einzuhüllen und tausende Marokkaner scheinen aus allen Löchern zu kriechen. Lecker war's trotzdem :)
Lecköööööör und alles vergan! :D
Abends gehen wir noch einmal in das Ryad des Kumpels vom Kumpel... naja lassen wir das. Ein alter Mann begleitet uns musikalisch auf der traditionellen Ud und es gibt marokkanische Salate. Sie werden auf dem Tisch verteilt und jeder greift sich etwas von den Tellern. Hier lob ich mir das deutsche mein-Teller-mein-Essen-Prinzip. Dann geht es richtig ab, wir bekommen Trommeln in die Hände gedrückt und tanzen laut singend durch das Ryad.

Erschöpft komme ich im Hotel an und springe unter die Dusche. Mit dem guten Rei in der Tube versuche ich die Gerüche aus meinen Klamotten zu bekommen. An Schlaf ist nicht zu denken, Fès ist auch in der Nacht sehr laut.

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