Perth

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Samstag, 23. Juli 2011

Eine andere Welt

In der hutterischen Gemeinde
Die drei Wochen Winnipeg sind wie im Flug vergangen. Ich bin jung, sehr jung, doch ich merke langsam, dass ich mir die Angewohnheiten meiner Eltern und Großeltern aneigne. Und eine davon ist es, nicht zu fassen, dass Minuten, Stunden, Tage tatsächlich vorüberziehen, als wären sie ein Windhauch.


Für den letzten Tag hat sich meine Gastfamilie etwas ganz Besonderes ausgedacht. Kaum zu glauben, dass diese drei Wochen noch zu toppen sind. Wir besuchen die Angela, was Oma bedeutet. Auf hutrisch (huterisch, huttererdeutsch???). Und die lebt in einer ganz anderen Welt. 

Die Hutterer-Gemeinde kommt eigentlich aus Süddeutschland und ist, durch Krisen und Krieg, nach 200 Jahren Wanderschaft im Norden der USA und Kanada gelandet. Sie leben ganz für sich von ihren eigenen angebauten Lebensmitteln und den Tieren in ihrem großen Stall. Es ist nicht ganz wie bei den Amish, denn sie nutzen die Technik, um im Stall und in der Wäscherei effizienter arbeiten zu können. Kontakt nach außen haben nur wenige Männer, die überschüssige Lebensmittel und eigens angefertigte Werkzeuge verkaufen.

Der eigene Stall zur Versorgung der Gemeinde
Wir fahren einen langen Feldweg entlang. Links und rechts wird die Straße von Getreidefeldern gesäumt, man sieht immer mal einen vereinsamten Traktor. In der Gemeinde angekommen, springen meine „Gastgeschwister“ aus dem Auto und beginnen sofort mit den Huttererkindern zu spielen. Erstaunt schaue ich mich um. Man sieht eine Ansammlung von kleinen, grauen Häusern. Sie sehen nicht sehr stabil aus. Zur Zeit sind es 30° und die Sonne scheint unentwegt, aber schon in 3 Monaten wird für ein halbes Jahr der Winter einbrechen und das nicht zu knapp. Ich kann mir kaum vorstellen, hier bei 2 m Neuschnee zu leben.

Angela, in ihrem knöchellangem blauem Stoffkleid und dem dazu passenden Kopftuch, freut sich ihren Sohn zu sehen. Allzu oft kommt Jonathan nicht hier her, denn er ist hier nicht gerne gesehen. Als „Flüchtling“ wird er akzeptiert, mehr nicht. Angela hat viele Kinder, nur ein Sohn ist in der Gemeinde geblieben. Mit kariertem Hemd und dreckigen Stoffhosen kommt er uns freundlich entgegen.
Die gemeindeeigenen Felder
Wir gehen in das Haus, das Essen köchelt schon auf dem Ofen aus den 60-er Jahren. Sieht gut aus. Es ist sehr sporadisch eingerichtet, für mich müssen wir einen Stuhl von den Nachbarn holen. Jeder hat genau so viel wie er braucht. Angela zeigt mir stolz ihre Wohnung und Bilder von ihrem Mann und den Kindern. Sie spricht das Deutsch, was sie in der Schule gelernt hat, aus Büchern, die fast hundert Jahre alt sind. Wirklich verstehen kann ich sie nicht. Also lächle ich nett. Einen Fernseher, der mindestens doppelt so viele Jahre auf dem Buckel hat wie ich, hat sie auch. Hier gibt es nur wenige Fernsehsender, die der Pfarrer genehmigt.

Es gongt. Zeit fürs Abendbrot. Bei Besuch darf zu Hause gekocht und gegessen werden, die anderen Bewohner trollen sich zur Speiseküche, Männer und Frauen sitzen getrennt, die Kinder haben einen eigenen Raum, wo eine Lehrerin der Gemeindeschule auf sie achtet. Jede Frau ist mal dran mit Koch- und Waschdienst, gewechselt wird wöchentlich.
Sonnenuntergang in Kanada
Nach dem Abendessen zeigt man mir die Umgebung. Alle sind sehr nett und erklären mir, wie sie hier leben. Sie wollen deutsch sprechen und ich erzähle ihnen von Deutschland. Und Winnipeg, denn die wenigsten waren schon dort, obwohl es nur eine halbe Stunde entfernt liegt. Wir setzen uns auf die Ladefläche eines alten Pickups und fahren zu den Feldern runter. Und dann geht es los. Wir sammeln Obst und Gemüse. Das dürfen wir heute Abend mit nach Hause nehmen. Und ich esse. Himbeeren, Erdbeeren und Erbsen. Halt alles was ich kriegen kann. Wir sollen uns beeilen, denn bald gehen die Wassersprinkler an, aber ich hab es nicht eilig.

Die Sonne versinkt orange in den Feldern und ich bekomme schon jetzt Sehnsucht nach Kanada.
Zum Abschied bekomme ich von Angela noch 2 Paar gestrickter Hausschuhe. Es sind die bequemsten die ich je hatte

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